das Thema Medikamentöse Behandlungen bei Autismus-Spektrum-Störungen (ASS) ist oft mit vielen Fragen und Unsicherheiten verbunden. Im Folgenden möchte ich einen strukturierten Überblick geben und aufzeigen, welche Medikamentengruppen eingesetzt werden, für welche Symptome sie geeignet sind und welche wissenschaftlichen Erkenntnisse es dazu gibt.
1. Grundsätzliche Prinzipien der medikamentösen Behandlung
Wichtig ist: Medikamente können Autismus nicht „heilen“, sondern sie werden ergänzend genutzt, um begleitende Symptome (z.B. Hyperaktivität, Angst, Schlafstörungen) zu lindern und so den Alltag zu erleichtern (Hirsch & Pringsheim, 2016). Entscheidende Prinzipien sind:
- Individuelle Abwägung: Der Einsatz sollte stets individuell mit Fachärzten abgestimmt werden.
- Einsatz nach Symptombild: Nicht der Autismus selbst, sondern spezifische Symptome wie Auffälligkeiten im Verhalten, Depressionen oder Schlafprobleme stehen im Fokus.
- Nebenwirkungen beachten: Medikamente haben potenzielle Risiken und Nebenwirkungen, die mit Ärzt:innen besprochen werden müssen.
- Multimodaler Ansatz: Medikamente sind meist Teil eines umfassenden Therapieplans, der auch Pädagogik, Verhaltenstherapie und Umfeldberatung einschließt.
a) Atypische Antipsychotika
Diese Medikamentengruppe wirkt vor allem gegen Reizbarkeit, Aggressionen und autoaggressives Verhalten. Zwei der am besten untersuchten Wirkstoffe der atypischen Antipsychotika sind Risperidon und Aripiprazol. Laut einer Metaanalyse lindert Risperidon deutlich die genannten Symptome (McPheeters et al., 2011). Aripiprazol zeigt ebenfalls Wirksamkeit bei Reizbarkeit (Owen et al., 2009), hat aber ein anderes Nebenwirkungsprofil.
Typische Nebenwirkungen: Gewichtszunahme, Müdigkeit, hormonelle Veränderungen. Langzeitfolgen sollten regelmäßig kontrolliert werden.McPheeters et al., 2011 hat geschrieben:The evidence supports the efficacy of risperidone and aripiprazole for irritability in autistic disorder.
b) Stimulanzien
Methylphenidat (z. B. Ritalin) ist ein Stimulans, das vor allem bei Konzentrationsstörungen, Hyperaktivität und Impulsivität eingesetzt wird – besonders wenn neben ASS auch eine ADHS-Symptomatik besteht (Research Units on Pediatric Psychopharmacology Autism Network, 2005).
Wichtig: Die Wirksamkeit von Stimulanzien bei Autismus ist oft geringer als bei "klassischen" ADHS-Patienten und die Nebenwirkungsrate (z. B. Schlaflosigkeit, Appetitminderung) höher.
c) Antidepressiva (SSRI, Trizyklika)
Selektive Antidepressiva wie Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI, z. B. Fluoxetin, Sertralin) werden zur Behandlung von Angststörungen, Zwangssymptomen und depressiven Verstimmungen eingesetzt. Die Wirksamkeit bei Autismus ist jedoch umstritten – einige Studien zeigen positive Effekte auf Zwang oder Angst (Williams et al., 2013), andere finden kaum Unterschiede zu Placebos.
d) Melatonin
Viele Autist:innen leiden unter massiven Schlafproblemen. Melatonin – ein körpereigenes Hormon – kann helfen, den Schlaf zu regulieren, wie über mehrere Studien gezeigt wurde (Rossignol & Frye, 2011).
e) Aripiprazol – BesonderheitenRossignol & Frye, 2011 hat geschrieben:Melatonin is safe and effective for treating sleep problems in children with ASD.
Aripiprazol ist ein atypisches Antipsychotikum, das von der US-Behörde FDA explizit für Irritabilität (Reizbarkeit) bei Autismus zugelassen ist. Es zeichnet sich durch ein anderes Nebenwirkungsprofil aus als Risperidon, insbesondere weil es weniger häufig zu Gewichtszunahme und hormonellen Störungen kommt (Owen et al., 2009). Dennoch kann es Unruhe, Müdigkeit oder Schlafprobleme verursachen.
f) Sonstige AnsätzeOwen et al., 2009 hat geschrieben:Aripiprazole was efficacious and generally well tolerated for the treatment of irritability in children and adolescents with autistic disorder.
Daneben werden manchmal anti-epileptische Medikamente, Stimmungsstabilisatoren oder Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt, allerdings ist die wissenschaftliche Datenlage hierzu noch limitiert und sollte immer kritisch geprüft werden.
3. Fazit und Hinweise zur Anwendung
- Die Auswahl und Einstellung auf Medikamente sollte immer durch spezialisierte Kinder- und Jugendpsychiater:innen oder Neurolog:innen erfolgen.
- Es gibt keine „Autismus-spezifische Pille“, sondern eine symptomorientierte Behandlung.
- Die wissenschaftliche Forschung entwickelt sich weiter – was heute Standard ist, kann in ein paar Jahren überholt sein.
Lasst uns gerne hier austauschen, auch um mit Unsicherheiten und Vorurteilen aufzuräumen!
Quellen:
- Hirsch & Pringsheim, 2016
- McPheeters et al., 2011
- Owen et al., 2009
- RUPP Autism Network, 2005
- Williams et al., 2013
- Rossignol & Frye, 2011
Euer Admin-Team